Im Schoss der Erde – Erlebnis Höhlenwanderung
VON Stephan Gerhard Familie Outdoor
Eine Höhle hat immer etwas Geheimnisvolles und Tiefgründiges an sich. Eine Höhlenwanderung führt in eine eigene Erlebniswelt jenseits der Erdoberfläche und des Tageslichts.
Orte mit tiefer Bedeutung
Die grosse Bedeutung von Höhlen wird schon daran deutlich, dass sich in ihnen die ersten Spuren menschlicher Zivilisation finden. Höhlen waren einst nicht nur Wohn- und Begräbnisstätte, sondern auch religiöser Kultort. Und in ihnen finden sich die ältesten künstlerischen Darstellungen der Menschheit. Keine Region Europas steht dafür so sehr wie der Süden Frankreichs. Besonders eindrucksvoll – aber nur ein Beispiel von vielen – ist die Chauvet-Höhle im Bereich der Ardèche. Ihre Malereien gelten als eines der ältesten menschlichen Kunstwerke.
Die besondere Faszination von Höhlen hat viele Deutungen erfahren, selbst die moderne Psychoanalyse hat sich mit dem Phänomen befasst. Wenn in Märchen und Träumen Höhlen eine Rolle spielen, wird darin eine Ausprägung des sogenannten Mutterarchetyps gesehen, eines uralten – unterbewussten – Vorstellungsmusters der gebärenden Mutter.
Ein intensives Erlebnis
Die wenigsten Höhlenbesucher werden daran denken, wenn sie eine Höhle besichtigen. Es gibt viele Schauhöhlen, die für Besucher zugänglich sind und ohne besondere Probleme und Vorkehrungen betreten werden können. So interessant ein solcher Besuch sein mag, richtige Entdecker- oder Forscher-Gefühle kommen bei solchen touristischen Zielen nicht auf. Etwas anderes ist eine geführte Höhlenwanderung, die ohne bequeme Wege und künstliche Beleuchtung tief ins Innere führt und richtigen körperlichen Einsatz erfordert. Sie bietet ein besonders intensives Erlebnis.
Ungewohnte Sinneswahrnehmungen
In einer Alltagswelt, die heute von vielen Reizen überflutet ist, bedeutet eine Höhlentour ungewohnte Sinneserfahrungen. Hier sind äussere Reize weitestgehend ausgeschaltet. Die tiefe Dunkelheit wird nur vom Schein der Lampen auf den Helmen der Höhlenwanderer durchbrochen. Alle Zivilisations-Geräusche der Aussenwelt werden ausgeblendet oder zumindest stark gedämpft. Eine Höhlenwanderung kann sich auf zwei bis drei Stunden beschränken – quasi ein „Schnupperkurs“ – oder tagesfüllend sein. Hier kommt es wesentlich auf die Kondition und das Durchhaltevermögen der Teilnehmer an.
Die berichten immer wieder von dem tiefen Eindruck der Ruhe, Kraft und Zeitlosigkeit, die die seit Jahrtausenden kaum veränderte Höhlenwelt vermittelt. Hier ist es möglich, absolute Stille wahrzunehmen – nur durchbrochen durch tropfendes Wasser oder die leisen Bewegungen der Wanderer. Klettern, Kriechen, Auf- und Abstieg oder das Waten durch Wasser vermitteln unmittelbare Erfahrungen der Elemente. Viele Höhlen bieten auch eine eigene Flora und Fauna. Fledermäuse, Salamander und Grottenolme sind hier anzutreffen.
Höhlenwanderung als Team-Event
Tropfsteinhöhlen, unterirdische Seen oder Bäche, grosse Säle oder tiefe Schächte stellen natürlich besondere Highlights einer Höhle dar, selten wird ein Höhlensystem sie alle bieten. Das ist aber auch nicht zwingend nötig, um die faszinierende andere Wirklichkeit im Schoss der Erde zu erfahren. Höhlentouren, -trekking und -wanderungen werden mittlerweile von vielen Eventdienstleistern angeboten.
Typischerweise werden sie als Gruppenveranstaltungen durchgeführt, denn eine Alleinbegehung ist schon aus Sicherheitsgründen nicht ratsam. Übliche Gruppengrössen überschreiten ein Dutzend Teilnehmer nicht. Es handelt sich um ein echtes Team-Event. Jede Höhlenbegehung stellt ungewohnte Anforderungen, die sich im Team leichter als alleine bewältigen lassen. Wenn gemeinsam schwierige Klippen oder Abschnitte geschafft wurden, stärkt das das Zusammengehörigkeitsgefühl ungemein und bewirkt ausserdem Erfolgserlebnisse, die das Selbstbewusstsein stärken.
Teamarbeit und Teamgeist sind ebenfalls gefragt. Dabei geht es um Planung, Kommunikationsfähigkeit und Rücksichtnahme. Denn eins ist bei einer Höhlenwanderung klar: Die Tour kann nicht einfach abgebrochen werden. Den Rückweg zum Höhlenausgang zu schaffen, ist die zu erfüllende Mindestanforderung bei jeder Höhlenwanderung. Sie bestimmt letztlich auch, wie weit die Tour ins Innere führen soll. Man kann ein solches Event daher als Teambuilding-Massnahme mit besonderem Erlebnischarakter einsetzen. Eine Höhlenwanderung kann aber auch nur einfach als besondere Erfahrung gesehen werden.
Keine Angst vor Enge und Dunkelheit
Um an einer Höhlenwanderung teilzunehmen, bedarf es keiner aussergewöhnlichen Voraussetzungen. Teilnehmer sollten nicht an Klaustrophobie oder Angst vor Dunkelheit leiden. Auch Schwindelfreiheit sollte gegeben sein. Ansonsten genügt durchschnittliche körperliche Fitness. Trittsicheres Schuhwerk (Berg- oder Trekking-Schuhe, Gummistiefel), robuste Freizeitkleidung und dicke Strümpfe sollten mitgebracht werden. Schutzkleidung, Neoprenanzüge (für Wasserstrecken) und Helme mit Lampen werden in der Regel vom Veranstalter zur Verfügung gestellt.
Höhlen, die sich für solche Touren eignen, gibt es viele – sowohl in der Schweiz als auch im süddeutschen Raum und in Österreich. Die Bergwelt dieser Gebiete und das Wirken des Wassers haben vor langer Zeit gute Bedingungen für die Höhlenentstehung geboten. Das grösste Höhlensystem der Schweiz ist das Hölloch im Kanton Schwyz. Die bekannten Teile messen rund 200 Kilometer. Es handelt sich um eine typische Karsthöhle. Wer will, kann hier sogar geführte Zwei- oder Drei-Tage-Touren unternehmen und in Höhlen-Biwaks übernachten. Danach wird die Rückkehr ans Tageslicht und in die Aussenwelt umso nachhaltiger wahrgenommen werden.
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