1’000-Meilen-Strassenrennen durch Italien: die Mille Miglia
Die Mille Miglia – 1’000 Meilen auf öffentlichen Strassen in Italien – ist der Klassiker unter den Langstreckenrennen. Das Rennen wurde gemeinsam mit der Targa Florio auf Sizilien zum Ursprung für den Ausdruck „Gran Turismo“ (GT), der charakteristische Merkmale (Komfort, Schnelligkeit) von Reisesportwagen beschreibt und bis heute von unterschiedlichsten Autoproduzenten als Typenbezeichnung verwendet wird.
Der Sportwagenhersteller Ferrari war der erste, der solche „GTs“ sogar exklusiv für die Mille Miglia entwickelte.
Die Idee zu dem Rennen hatten die beiden Rennsportfans Aymo Maggi und Franco Mazzotti. Der erste Grosse Preis von Italien wurde in Brescia durchgeführt, dann aber in das neu erbaute Autodrom von Monza verlegt. Also fassten die beiden den Entschluss, wieder ein Rennen von Bedeutung in ihrer Heimatstadt zu etablieren. Etwas später schlossen sich den beiden noch Renzo Castagneto und Giovanni Canestrini an, und sie begannen erste Pläne zu schmieden.
Das Rennen sollte auf Landstrassen stattfinden, auf befestigten und unbefestigten, und Start- und Zielpunkt sollte auf alle Fälle Brescia sein. Rom wurde einige Jahre später definitiv als Wendepunkt bestimmt, der Streckenverlauf zwischen Brescia und Rom war aber jedes Jahr ein anderer. Für gewöhnlich beträgt die Streckenlänge etwa 1’600 Kilometer, umgerechnet circa 1’000 englische Meilen. Als Begründung dafür mussten die „alten Römer“ herhalten, denn die hätten Wegstrecken ebenfalls in Meilen gemessen.
Zwei Jahre lang wurden noch Überlegungen rund um die Mille Miglia angestellt und Vorbereitungen getroffen, dann war es endlich so weit: Start war am 26. März 1927, mit 77 Fahrzeugen. Sieger wurden die Werksfahrer Giuseppe Morandi und Ferdinando Minoia mit einem OM. In 21 Stunden hatten sie die Strecke bewältigt, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 77 km/h entspricht. Seitdem ist es Tradition, dass ein Wagen von OM die Startnummer 1 trägt.
1957 wurde das Ende der Mille Miglia eingeläutet. Den Siegerkranz hatten sich vor allem italienische Fahrer umgelegt, mit Sportwagen von Ferrari, Lancia und Alfa Romeo. Zweimal konnte auch Mercedes gewinnen, 1931 fuhr Rudolf Caracciola das Fahrzeug zum Sieg, 1955 Stirling Moss.
Die Mille Miglia stand auch immer wieder in der Kritik: Nach einem folgenschweren Unfall mit einer Strassenbahn wurden Fahrten durch Städte von den Behörden untersagt. 1940 mussten die Fahrer sogar auf einem 165 km langen Kurs neunmal ihre Runden drehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg durchfuhr die Mille Miglia wieder den grossen Kurs, und die Begeisterung aller Beteiligten war gewaltig. Und das Risiko von Unfällen schien angesichts der Kriegszerstörungen ziemlich gering zu sein.
Bis im Jahr 1957 der Spanier Alfonso de Portago einen Unfall mit mehreren Toten verursachte. Mit seinem Ferrari war er bei hoher Geschwindigkeit infolge eines Reifenschadens von der Fahrbahn abgekommen und in die Zuschauermenge gerast. Unter den Opfern befanden sich der Fahrer, der Kopilot und zehn Zuschauer, darunter fünf Kinder. Vor allem aus der katholischen Kirche kam Kritik auf und ein Verbot des Rennens wurde gefordert. Am Ende wurde dem auch entsprochen. Für das Rennteam und den Reifenhersteller gab es auch noch ein gerichtliches Nachspiel.
20 Jahre später, 1977, kam es zur Neuauflage der Rallye als Mille Miglia Storica. Teilnahmeberechtigt sind nur Oldtimer, wie sie zu den glorreichen Zeiten des Rennens auf die Strecke gingen. Heute steht nicht mehr die Schnelligkeit im Vordergrund, es geht mehr um das Fahrerlebnis, den Komfort und die Verlässlichkeit der Oldtimer und das Sehen und Gesehenwerden. Leisten können sich das nur noch die Besserbetuchten, die Zuschauer an der Strecke sind aber dennoch begeistert. Die Mille Miglia ist eben ein Spektakel der besonderen Art.
Im Mai 2014 nahmen 430 Oldtimer an der 1’000-Meilen-Rallye teil – so viele wie noch nie und damit ein weiterer Rekord. Dabei: 105 Teams aus Italien, 93 aus Deutschland, aber auch Teams aus Südafrika, Hongkong und Neuseeland hatten den weiten Weg nach Italien angetreten. Bedauerlicherweise wurde die Stimmung auf der Rekordfahrt wieder mal durch einen Unfall getrübt – ein Mercedes 300 SL W 198, Baujahr 1956, war frontal mit einem BMW zusammengeprallt, der gar nicht am Rennen teilgenommen hatte. Glücklicherweise gab es nur leichte Verletzungen. Der Mercedes war allerdings schrottreif und der Sachschaden mit 800’000 Euro beachtlich!
Was die Streckenführung betraf, gab es in diesem Jahr einige Veränderungen. Die etwa 1’700 Kilometer lange Strecke war in vier Etappen aufgeteilt worden, sodass bereits am Donnerstag gestartet wurde. Teilnehmer und Zuschauer freuten sich gleichermassen, denn so dauerte das Spektakel noch einen Tag länger.
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