Einen Tag und eine Nacht – die 24 Stunden von Le Mans
VON Agentur belmedia Allgemein
1923 wurde der Wettbewerb in der Nähe von Le Mans in Frankreich zum ersten Mal ausgetragen. Die damalige Distanz betrug circa 17,3 Kilometer. Seit 1932 wird das Rennen auf dem Circuit des 24 Heures veranstaltet. Er ist 13,880 Kilometer lang und liegt südlich von Le Mans. Einzelne Streckenabschnitte des Rundkurses werden normalerweise als öffentliche Landstrassen genutzt. Ausser dem Autorennen wird auch ein 24-Stunden-Rennen für Motorräder ausgetragen, les 24 Heures du Mans moto. Dieses wird seit 1965 jedoch auf dem Circuit Bugatti gestartet, einem erheblich kürzeren, permanenten Rundkurs. Einige Teilstücke haben die Motorad- und die Autostrecke gemeinsam, so zum Beispiel den Start- und Zielbereich und die Boxen.
Die ursprüngliche Idee hinter dem Langstreckenrennen war, dass die Fahrzeughersteller das Entwicklungsstadium und die Verlässlichkeit ihrer Autos einem Test unterziehen und der Öffentlichkeit präsentieren konnten. In den Anfängen durften auch nur die Fahrer selbst ihre Wagen reparieren, mit dem eigens an Bord mitgeführten Werkzeug. Heute sind die Regeln nicht mehr ganz so streng – in den Boxen ist es Automechanikern erlaubt, Reparaturen vorzunehmen, allerdings nur dort. Sollte der Rennwagen unterwegs liegen bleiben, muss der Fahrer allein zusehen, wie er zurechtkommt.
Der Tradition gemäss werden die 24 Stunden alljährlich am zweiten Wochenende im Juni ausgetragen. Nur 2007 und 2013 hielt man sich nicht daran. Ziel ist es, innerhalb eines Tages und einer Nacht so viele Runde wie möglich zurückzulegen und dann auch noch über die Ziellinie zu fahren. In der Regel wird um 16.00 Uhr gestartet. Hier gab es aber schon mehrmals Verschiebungen, wenn andere wichtige Ereignisse damit kollidierten. Während früher die Teams nur aus zwei Fahrern bestanden, ist es seit den 1980er-Jahren üblich, dass sich drei Fahrer pro Auto ablösen.
Legendär wurde mit der Einführung im Jahr 1925 die Art und Weise, wie der Start verlief: Die Fahrzeuge standen in der Boxengasse und die Fahrer spurteten dann von der gegenüberliegenden Seite über die Fahrbahn und starteten stehend. Seitdem spricht man von einem Le-Mans-Start. Mit Einführung der Sicherheitsgurte 1969 wurden heftige Diskussionen über diese Form des Starts geführt. Der Belgier Jacky Ickx, der damals als Sieger aus dem Rennen ging, demonstrierte sein Missfallen gegenüber dem Le-Mans-Start, indem er ostentativ langsam über die Fahrbahn ging und sich umständlich angurtete. Das Jahr darauf starteten die schon angeschnallten Fahrer stehend. Behaupten konnte sich diese Form jedoch nicht. Aus Sicherheitsgründen startet man seit 1971 nach einer Einführungsrunde fliegend – wie bei beim 500-Meilen-Rennen von Indianapolis.
Die Strecke in Le Mans zeichnet sich aus durch die fast fünf Kilometer lange Gerade, die Ligne Droite des Hunaudières beziehungsweise Mulsanne Straight, wie man sie in England nennt. Früher erreichte man hier Geschwindigkeiten von über 400 km/h. Aus Sicherheitsgründen liess man 1990 zwei Schikanen einbauen. Solche Schikanen gibt es inzwischen auch auf anderen Streckenabschnitten, da die Fahrzeuge im Laufe der Zeit immer höhere Geschwindigkeiten erreichten.
Seitdem beträgt das Tempo auf der langen Geraden im Schnitt 340 km/h – auch kein Pappenstiel. Grund für den Einbau der Schikanen war ein Unfall im Juni 1986, bei dem der Österreicher Jo Gartner mit einer Geschwindigkeit von über 300 km/h von der Strecke abkam und sich tödliche Verletzungen zuzog. Bei seinem Porsche 962 war wohl eine Hinterradaufhängung gebrochen.
Doch nicht nur dieser Unfall in Le Mans steht für die Kehrseiten des Autorennsports. 1955 passierte hier das bisher folgenschwerste und tragischste Ereignis bei einem Autorennen. Ursache dafür war ein riskantes Manöver des Jaguar-Fahrers Mike Hawthorn. Er überholte Lance Macklin links, lenkte plötzlich nach rechts und bremste abrupt, um noch den Weg in die Boxen zu erwischen. Macklin wich nach links aus, direkt in die Fahrtrichtung des mit hoher Geschwindigkeit von hinten nahenden Pierre Levegh. Der hatte keine Möglichkeit mehr zu reagieren und stiess mit seinem Mercedes 300 SLR frontal auf den Austin-Healey 100 von Macklin. Die durch die Kollision weggeschleuderten Trümmer flogen auf die Zuschauertribüne und töteten 84 Menschen – mehr als jemals zuvor oder danach.
Erfolgreichster Fahrer bei den 24 Stunden von Le Mans ist bisher der Däne Tom Kristensen. Bei siebzehn Teilnahmen zwischen 1997 und 2013 gewann er neunmal. Der Belgier Jacky Ickx errang sechs Siege, Derek Bell, Emanuele Pirro und Frank Biela standen fünfmal auf dem Siegertreppchen. Die weiteste Strecke legte das Rennteam von Romain Dumas, Mike Rockenfeller und Timo Bernhard 2010 mit einem Audi R15 TDI Plus zurück – insgesamt 5’410 km. Das entspricht inklusive Boxenstopps einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 225,45 km/h.
Filmisch gewürdigt wurde das Rennen 1970 durch den Spielfilm „Le Mans“ mit Steve McQueen in der Hauptrolle und die Filmdokumentation „Michel Vaillant“ von Luc Bresson im Jahr 2003.
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