Das „Blumenreich“ der alten Ägypter im Antikenmuseum Basel
VON Romy Schmidt Alles Allgemein Indoor
Anders gestalteten sich dagegen die Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter. Belegt wird dies beispielsweise durch einen paradoxen Aphorismus aus den Pyramidentexten, die zu den ältesten religiösen Spruchsammlungen der Menschheit zählen. Dort steht geschrieben: „Du stirbst, damit du lebst“. Diese Zuversicht für ein Leben im Jenseits, in der der Tod den Sinn der Regeneration und der Verjüngung hat, wurde – so glaubten zumindest die alten Ägypter – durch diesseitige Erscheinungen symbolisch garantiert.
Neben dem Lauf der Sonne, die jeden Tag aufs Neue wiederkehrt, sahen sie auch im jährlichen Rhythmus der sich regenerierenden Vegetation ein Zeichen, dass der Tod keinesfalls das Ende für den Menschen bedeuten könne. Aus diesem Grund kam unterschiedlichen Pflanzen und Blumen im Rahmen der altägyptischen Bestattungsriten eine bedeutende Rolle zu. Anders als in der christlichen Welt des Abendlandes, in der die Trauerfloristik die Verbundenheit der Trauernden mit dem Verstorbenen symbolisiert, war Sie für die Ägypter ein Zeichen der Wiedergeburt und der Regeneration.
Florale Elemente während der Begräbnisfeier im Alten Ägypten
Hatten die Ägypter den Toten mumifiziert, brachten Sie dessen Körper in die Balsamierungshalle und die Feierlichkeiten konnten beginnen. Hierzu wurde in Oberägypten, vor allem in Theben, der Nil überquert und der mit Blumen geschmückte Sarg wurde auf einer Barke, auf der auch die Familie des Verstorbenen mitfuhr, überführt. Weitere Barken, die ebenfalls mit Blumen und Opfergaben beladen waren, folgten mit Verwandten und anderen Trauernden wie Freunden und Dienern.
Eben dieser vielseitigen floralen Symbolik ist die Ausstellung „Blumenreich“ im Antikenmuseum Basel gewidmet. Dabei stehen im Mittelpunkt 16 Blumenpräparate, die vor einigen Jahren von Christiane Jacquet, einer Archäobotanikerin, im Depot des ehemaligen Botanischen Museums der Universität Zürich bei Umzugsarbeiten gefunden wurden. Im Jahr 1881 hatte der deutsche Botaniker Georg Schweinfurth in Theben in einem grossen Mumienversteck den Blumenschmuck, der wohl aus Pharaonengräbern stammt, entdeckt und konserviert sowie an verschiedene in Europa angesiedelte Institute, unter anderem nach Zürich, Proben versendet.
Exposition des begehbaren Nachbaus einer Grabkammer
Neben den leider in Vergessenheit geratenen, mittlerweile etwas verblassten Blumenpräparaten, die in Tischvitrinen präsentiert werden, sind im Antikenmuseum Basel auch zahlreiche andere Exponate zu sehen. Nahezu alle Stücke nehmen Bezug auf die Jenseitsvorstellungen der pharaonischen Ägypter; so können Interessierte verschiedene Objekte in Früchte- und Blumengestalt, Leihgaben des Museums August Kestner in Hannover, mit Blumenmotiven bemalte Sarkophage, Leihgaben des Musée d’ethnographie in Neuchâtel und den begehbaren Nachbau der Grabkammer des Sennedjem, ebenfalls mit Pflanzendarstellungen versehen, bewundern.
Der Fund dieser Grabkammer, die zudem zu den schönsten erhaltenen in ganz Ägypten zählt, war ein Glücksfall für die Archäologie. Gefunden wurde die Grabkammer in der Nekropole der Arbeiter und Künstler gegenüber der heutigen Stadt Luxor am westlichen Nilufer. Sennedjem lebte im 13. Jahrhundert v. Chr. Damals hatten sich die Jenseitsvorstellungen schon dahingehend modifiziert, dass das Grab nicht mehr als Haus der Toten gesehen wurde, sondern vielmehr als Abbild der Unterwelt. In der Ausstellung ist die Rekonstruktion der oberirdischen, recht ausgedehnten Grabanlage in Modellform zu sehen. Besonders eindrucksvoll sind die zahlreichen Pflanzendarstellungen, über die die nachgebaute Grabkammer verfügt. Zudem erhalten Besucher der Ausstellung interessante Informationen über die faszinierende Welt der Pflanzen und Blumen sowie die Jenseitssymbolik bei den pharaonischen Ägyptern.
Die Ausstellung „Blumenreich – Wiedergeburt in Pharaonengräbern“
Die Ausstellung „Blumenreich – Wiedergeburt in Pharaonengräbern“ läuft bereits seit dem 3. September 2014 im Antikenmuseum Basel. Inhaltlich bewegt sie sich im Grenzbereich zwischen Archäologie und Botanik und zeigt neben den bereits erwähnten 16 Blumenpräparaten eine Vielzahl weiterer interessanter Exponate. So ist beispielsweise ein rundplastisches Bronzewerk aus der Spätzeit, also dem 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr., welches das Sonnenkind auf einer Lotusblüte zeigt, zu sehen. Bei diesem Bildmotiv handelt es sich entsprechend um eine ikonografische Umsetzung der täglichen Wiedergeburt der Sonne.
Zudem können Besucher einen hölzernen Uschebtikasten bewundern, auf dem Nachtdjehuti gemeinsam mit seiner Frau Nefermahi abgebildet ist und in der linken Hand eine Lotusblüte hält, sowie ein Malereifragment aus der 18. Dynastie, also dem 14. Jh. v. Chr. Das Fragment zeigt die Ahmes-Nefertari, deren schwarze Hautfarbe bewusst gewählt wurde, weil sie auf den schwarzen, fruchtbaren Nilschlamm referiert und Ahmes-Nefertari aufgrund ihrer Regeneration im Jenseits als vergöttlicht auszeichnet. Interessierten bietet die Ausstellung ebenfalls zahlreiche Informationen aus der faszinierenden Welt der Pflanzen und Blumen, und zwar vom Lotus über den Papyrus bis hin zur Weintraube, dem Granatapfel, der Palme oder der Sykomore. Denn all diese Blumen und Pflanzen sowie viele andere waren im Alten Ägypten auf unterschiedliche Art und Weise in den Alltag der Menschen integriert und wurden aus diesem Grund in grosser Menge angebaut. Ein Highlight der Ausstellung sind die verschiedenen Duftstationen, die das Blumenreich der Pharaonen wieder aufleben lassen und für ein ganzheitliches Expositionserlebnis sorgen. Wer in die Welt der alten Ägypter eintauchen möchte, kann die Ausstellung noch bis zum 29. März 2015 von Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr besuchen.
Oberstes Bild: Die Ausstellung „Blumenreich“ im Antikenmuseum Basel – nachgebautes Grab. (© Antikenmuseum Basel)