Guerilla Gardening – wunderschöner urbaner Trend
VON Andrea Hauser Privat
Während es vor einigen Jahren noch als illegal galt, mit Samenbomben bewaffnet durch die Stadt zu ziehen, um heimlich brachliegende Flächen zu begrünen, ist Guerilla Gardening inzwischen salonfähig geworden. Die Stadt Zürich ruft ihre Einwohner sogar dazu auf, sich aktiv an der Verschönerung der Stadt zu beteiligen. Wir haben Wissenswertes und Hintergründe zum Thema zusammengetragen.
Der Name Guerilla Gardening leitet sich von der spanischen Bezeichnung für „Kleinkrieg“ ab. Denn ursprünglich waren die Gärtner in den Grossstädten wirklich in Nacht-und-Nebel-Aktionen unterwegs, um die Umgebung zu verschönern: Hinterhöfe, Verkehrsinseln oder Brachflächen und Seitenstreifen, die urbanen Gärtner griffen auf zahlreichen innerstädtischen Flächen zu Samentüte und Schaufel. Verfolgt wurden die Aktionen in der Regel nicht, da die Gärtner nichts Böses anrichteten, sondern lediglich trostlose Einöden verschönerten.
Anfänge in New York und London
Über Grossbritannien und die USA breitete sich die Idee des illegalen Gärtnerns schnell in der Welt aus. In den 70er-Jahren waren Aktivisten vor allem in New York unterwegs, um der Betonmetropole ein kleines bisschen Grün zu verleihen. In der Stadt gab es zahlreiche verlassene Grundstücke, der Central Park war damals ziemlich verwahrlost. Die Künstlerin Liz Christy begann mit gestohlenen Blumen und Sträuchern an einer der schmutzigsten Ecken Manhattans ein kleines, aber illegales Biotop anzulegen. Nach dem Krieg hatte man in New York vor allem gebaut, in die Anlage von Grünanlagen steckte die Stadt kein Geld.
Schnell fanden sich zahlreiche Freiwillige, die gemeinsam mit der Künstlerin immer weitere Flächen begrünten. Die Stadt stellte der Gruppe sogar ein entsprechendes Grundstück zur Verfügung. Erstmals wurden Samenbomben eingesetzt, um trostlosen Orten ein wenig Farbe zu geben. Noch heute ist der von der leider im Jahr 1985 verstorbenen Künstlerin angelegte Liz Christy Garden im New Yorker East Village eine kleine Oase inmitten der hektischen Grossstadt.
Im Jahr 2000 gab es in London am 1. Mai eine grosse Aktion von Umweltaktivisten, die den Parliament Square umgruben und bepflanzten. Damals erregte das Guerilla Gardening erstmals weltweit Aufsehen. Inzwischen hat sich jedoch viel getan, und das Bepflanzen von Verkehrsinseln oder kleinen Seitenstreifen ist längst nicht mehr eine Rebellion gegen die Obrigkeit, sondern macht die eigene Stadt einfach ein bisschen lebenswerter. Ein bekannter Guerillagärtner ist der Brite Richard Reynolds, der mit seinem Buch „Guerilla Gardening – ein botanisches Manifest“ bekannt wurde. In seinem Werk geht der Autor auf die politischen, sozialen und künstlerischen Aspekte des illegalen Gartenbaus ein. Dabei finden Anhänger praktische Tipps, um ihre Umwelt zu verschönern. Inzwischen veranstaltete Reynolds sogar Stadtteilführungen, um zu zeigen, was durch seine Gruppe schon alles geschaffen wurde.
Begrünte Schlaglöcher – Pothole Gardening
Eine besondere Form des Guerilla Gardenings ist das Pothole Gardening, dabei werden Schlaglöcher mit Erde gefüllt und bepflanzt. Diese Idee stammt vom Londoner Steve Wheen, der in Oxford begann, Schlaglöcher zu verschönern. Dabei setzt Wheen nicht nur auf Rasen oder Pflanzen, sondern gestaltet eine kleine Szenerie rund um seine Komposition. Die liebevoll mit Puppenhausmöbeln, Legofiguren oder anderen Accessoires gestalteten Szenen zaubern Passanten ein Lächeln ins Gesicht und verbreiten einfach gute Laune.
Einem Zeitungsbericht zufolge kam Steve Wheen die Idee beim Radfahren in der britischen Hauptstadt. Er ärgerte sich über die grossen und gefährlichen Schlaglöcher, denen er nun mit seinen arrangierten Szenen ein eigenes Gesicht gibt. Er hat sogar schon einmal versucht Nutzpflanzen zu ziehen und konnte bereits ersten Salat ernten. In einem sehr lesens- und sehenswerten Blog beschreibt Wheen seine Aktionen und postet Fotos von seinen neuesten Kreationen. Hier haben auch andere Guerilla Gardener die Möglichkeit, ihre eigenen Aktionen vorzustellen. Wer sich für das Thema interessiert, sollte unbedingt einmal vorbeischauen.
Guerilla Gardening in der Schweiz
In der Schweiz ist Maurice Maggi einer der bekanntesten Guerillagärtner. Der gelernte Gärtner ist bereits seit 1984 immer mit einem kleinen Beutelchen Blumensamen unterwegs und trägt seitdem dazu bei, Zürichs Stadtbild zu begrünen. Besonders unzählige Stockmalven, die in Zürich wachsen, gehen auf das Konto Maggis. Weiter berichtet der „Tagesanzeiger“, dass Maggi längst nicht mehr allein unterwegs ist, sondern zahlreiche Mitgärtner dabei sind, die Stadt zu verschönern. So gibt es sogar oftmals „Samenspenden“ für Passanten, die die Samen in der Stadt verteilen sollen. Auch die Stadt Zürich unterstützt das wilde Gärtnern und hat eigene Saatmischungen hergestellt, die auf den Verkehrsinseln der Stadt wachsen sollen. Die bepflanzten Ringe, die häufig rund um Strassenbäume zu sehen sind, bezeichnen die Guerillagärtner übrigens als Baumscheiben.
Inzwischen gibt es in Zürich einige ehemalige Brachen, die von der Stadt als Gemeinschaftsgärten zur Verfügung gestellt werden. Unter dem Motto „Aufgetischt. Von hängenden Gärten und Pilzgaragen“ gibt die Stadt Zürich noch bis zum 18. Oktober in einer Ausstellung in der Stadtgärtnerei einen Einblick in das Urban Gardening. Dabei geht es um vielfältige Modelle urbaner Gartenanlagen, die vom traditionellen Kleingarten bis zum belebten Quartiertreffpunkt reichen.
Gemeinschaftsgarten – urbanes Lebensgefühl
Eine besondere Form des Guerilla Gardenings sind die Gemeinschaftsgärten, die in vielen Grossstädten entstehen. Oftmals verpachtet die Stadt brachliegende Flächen oder stellt sie kostenlos zur Verfügung. Manchmal handelt es sich dabei um Flächen, die nur zeitweise ungenutzt sind und so nur für einen begrenzten Zeitraum als Gartenanlage zur Verfügung stehen. Eine Gruppe Gärtner beginnt die Brachflächen zu bepflanzen, in vielen Fällen wachsen sogar Nutzpflanzen in bisher trostlosen Hinterhöfen.
Dabei geht es in der Regel darum, auch in Grossstädten gesunde Lebensmittel anzubauen. Der Austausch und das Treffen mit Gleichgesinnten stehen ebenfalls im Vordergrund. Oftmals gibt es mobile Gemeinschaftsgärten, bei denen der gesamte Garten in Kisten oder Fässern angelegt wird. Sobald es in der Stadt eine brachliegende Fläche gibt, werden die Kübel hier aufgestellt. Da die Nutzung nur für einen bestimmten Zeitraum vorgesehen ist, kann der gesamte Garten schnell zu einem neuen Standort transportiert werden.
Inzwischen liegt die Idee, mit Samentüte und Giesskanne bewaffnet die eigene Stadt zu verschönern, voll im Trend und wird in der Regel von nahezu allen Kommunen toleriert. Ein liebevoll angelegter Gemeinschaftsgarten stärkt die Nachbarschaft und liefert ganz nebenbei noch gesunde Lebensmittel, also, warum nicht selbst einmal zum Guerillagärtner werden und einige Samenbomben werfen?
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